# Länder, Menschen, Kuriositäten: Das letzte Abendmahl – oder Pizza in die Minute #

Wer, wie ich, als nicht praktizierende Protestantin einen Asylantrag im Mutterland des Christentums stellt, ist peinlich bemüht – um Himmels Willen – keine religiösen Gefühle zu verletzen. Besonders, wenn man noch immer den Sommer ’83 im Gedächtnis hat, als der spaghettiträgerbedeckten Schulter meiner Mutter, unter Androhung derber Verfluchungen, der Eintritt in den Markus Dom verwehrt blieb.

Also schlich ich Karfreitag auf Zehenspitzen in die Küche meines delizioso appartmento, um mir in aller Stille einen ruhigen Kaffee zu genehmigen. Pfeifen oder gar Singen verkniff ich mir, aus Angst, den Argwohn meiner Nachbarschaft auf mich zu ziehen. Wie sich herausstellen sollte, eine völlig überflüssige akustische Vorsichtsmaßnahme. Denn das Dezibel-Spektakel, das gerade vor der mit Schweinehälften geschmückten Auslage der gegenüberliegenden Fleischerei seinem Höhepunkt entgegen strebte, hätte ich vermutlich nicht einmal durch ein beherztes Megafon-verstärktes „Like a Virgin“ übertönen können.

Ja, Sie haben richtig gehört. Der Verkauf und Verzehr von Schweinehälften am Tage des Kreuztodes Jesu wird von der römischen Kurie NICHT mit einer sofortigen Exkommunikation von mindestens fünf Jahren bis zu lebenslänglich bestraft. Nebenbei bemerkt, war dies nicht das einzige theologische Rätsel, das mir der verkaufsoffene Karfreitag aufgab.

Auch die nächtliche Prozession hinterließ mich, während ich im Schlepptau sich bekreuzigender Katholiken an der malerischen Auslage der noch immer geöffneten Fleischerei entlang flanierte, mit jeder Menge dicker Glaubensfragezeichen. Verstehen Sie mich nicht falsch. Niemals würde ich päpstlicher als der Papst erscheinen wollen. Denn auch bei mir stellte sich – obwohl die Sänfte mit der trauernden Mutter Gottes von einem Trupp Feuerwehrmännern, Herren von der Müllabführ oder dem technischen Hilfswerk getragen wurde – nach stundenlangem stop and go mit etlichen Ave Marias eine besinnliche, ja geradezu meditative Stimmung ein. Aus der ich jäh gerissen wurde, als die Prozession vor der Kirche abrupt zum Stehen kam und sich meine Brüder und Schwestern im Geiste in null Komma nix, mit Pizzakartons in der Hand in alle vier Winde verabschiedeten, ohne Tschüss zu sagen.

So verbleibe ich allein und noch immer zutiefst verstört von der Interpretation des letzten Abendmahles. Und ob Sie es glauben oder nicht. Ich könnte wetten, dass es der Priester war, der Pizza anstelle von Hostien verteilte.

 

3 Kommentare zu „# Länder, Menschen, Kuriositäten: Das letzte Abendmahl – oder Pizza in die Minute #

  1. Wie immer liebe ich Deine, mitten ins Leben gegriffenen, kleinen Anekdoren, besonders wenn sie mit Lokalkolorit getränkt sind. Und somit habe ich auch gleich den Bogen gespannt zu meinem kleinen Leseverstolperer und frage mich gerade, wem es eventuell auch so ergangen sein mag. An einer Stelle habe ich folgenden Klammerinhalt, warum auch immer, überlesen: … „ver(kauf)soffene Karfreitag“…

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