Die Uschi Obermaier des kreativen Schreibens packt aus über ihr ziemlich wildes Leben zwischen Bielefeld, Havanna und dem Himalaja.
Laut verlässlicher Quellen soll der Film „Freddy, die Gitarre und das Meer“ * bei einer ganzen Generation Heranwachsender den Berufswunsch „Leichtmatrose unter internationaler Flagge“ geweckt haben. Als ich soweit war, den Seesack zu schultern, hatte Freddy Quinn längst als blinder Passagier auf dem Traumschiff Hitparade angeheuert.
Und mehr noch war passiert. Herangewachsen war eine Generation mit der Mauer vor der Nase, Pershing II hinterm Trimm-Dich-Pfad, einem Cowboy-President mit locker sitzendem Colt und der Sehnsuchtsmelodie Grunge. Eine Generation, die ihren Freddy Quinn – wenn auch oft auf Umwegen – in dem anderen Mann mit der Gitarre finden sollte. Helge Timmerberg, damals schon Jahre mit seinem spirituellen, und wie ich vermute oft geradezu nervtötend schwermütigen, Untermieter Jimi Hendrix unterwegs, stieß für mich und meine Kohl-Mief-Jugend ein Panoramafenster auf, das uns die frische Wiener Luft mit Orkantempo in die pickligen Nasen blies.
Jüngst hat das Lieblings-Enfant terrible der damaligen Redaktionskonferenzen seine Lebenserinnerungen veröffentlicht. Man mag den Mann um vieles beneiden. Die Autobiografie belegt auf meiner persönlichen Neid-Hitliste einen der Abstiegsplätze. Ebenso wie die obszönen Honorare, die Helikopterflüge oder das Stern-Logo auf der Visitenkarte.
Worum ich ihn beneide? Oh Uschi, um so vieles! Um diesen fabelhaften Lebens-Trip mit dem Reiseziel Suche. Um eine Zeit, in der eine indische Eingebung die Eintrittskarte zu einem Volontariat in Bielefeld war. Um eine Zeit, in der der Hippie Trail nicht durch Kriegsgebiete führte. Um eine Zeit, als selbst der Jetset so verdammt langsam war, dass die Leute-News auf dem Postweg von Havanna nach Hamburg nicht an Aktualität verloren. Um eine Zeit, die einem erlaubte, bekifft Reportagen zu schreiben, ohne Gefahr zu laufen, vom Größenwahn benebelt nachts versehentlich den Sende-Button der Olivetti zu drücken. Und um eine Zeit, wo ein Ich, Sex und Drogen ausreichten, um ein journalistisches Erdbeben zu entfachen.
Obwohl, da muss ich mich korrigieren. Denn diese Kombination tut es vermutlich bis heute. Trotz Porno-Revolution und der Legalisierung von Cannabis in 25 US-Bundesstaaten sind persönliche Geschichten noch immer für einen Skandal gut. Und genau das macht unsere Uschi Obermaier des kreativen Schreibens doch: Da beginnen, wo andere den Rotstift ansetzen. Verpackt in irrwitzige Kurzgeschichten, im Timmerbergschen Rhythm & Blues, mit überraschendem Ausgang. Etwa, wenn er benommen im Taxi durch Tel Aviv irrlichtert, Vier-Augen-Gespräche mit Tigern führt, eine Begegnung mit seinem Idol Hunter S. Thompson persönliche Opfer fordert, Viagra nicht bringen darf, was es verspricht …
Mag sein, dass die Chronologie seines ziemlich wilden Lebens der Geschichte irgendwie den Drive genommen hat.
Was soll´s! Ich könnte drauf wetten, dass das Piper-Honorar für den ersten Teil der Memoiren – und vermutlich auch für Teil 2, der wahrscheinlich schon in der Weihnachtsgeschäft-Schublade irgendeines Lektors schlummert – Herrn Timmerberg auf weitere wilde Reisen schicken und genau die Stories liefern wird, von denen ich und viele andere einfach nicht genug kriegen können. Eben jene Stories, bei denen ich mir nie ganz sicher bin, ob sie tatsächlich so passiert sind oder im Laufe des Erzählens ein bisschen aufmüpfig geworden sind. Aber scheiß drauf! Wen interessieren solche Kleinigkeiten? Wenn die Geschichte gut ist!
- Eine maritime Schmonzette aus dem Jahre 1959 mit den Protagonisten Freddy, der Gitarre und dem Meer.
Wenn Sie wissen wollen, was ich für Sie persönlich tun kann, sind Sie hier goldrichtig.
Herrlich zu lesen.
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